2.Teil / besondere Leseprobe von "Weil gemeinsam leben ALLE glücklich macht"

 ........Nachdem die Schule im Januar wieder begonnen hatte, bemerkten auch Deine Lehrerinnen, dass Du abgenommen hattest. Du warst auch einige Zentimeter gewachsen, so dass jetzt wirklich jedem auffiel, dass etwas an Dir anders war. Obwohl Dein Körpergewicht damals nicht wirklich besorgniserregend gewesen ist, machte ich mir immer wieder Gedanken darüber, warum Du so viel abnimmst und warum Du immer wieder solch starke Verdauungsbeschwerden hast. Auch mit unserer Kinderärztin sprach ich wieder darüber, doch die Untersuchungen bei ihr gaben uns auch nicht wirklich eine Antwort darauf. Medizinisch gesehen ist es bei Kindern gar nicht so unüblich, dass sie phasenweise an starken Verdauungsproblemen oder Verstopfung leiden. Bei manchen kann dies ein Zeichen dafür sein, dass der Körper sich aufgrund der Pubertät einfach umstellt. Bei Dir konnte noch immer der Grund dafür darin liegen, dass eben Deine gesamte Muskulatur durch das Down-Syndrom sehr schwach ausgeprägt ist und somit Dein Darm auch Probleme dabei hat, die Nahrung zügig zu transportieren. Ich nahm mir vor, noch genauer darauf zu achten, was Du speziell isst, in der Hoffnung, dass ich dort einen roten Faden erkennen könnte. Emotional warst Du die meiste Zeit gut drauf. Verständlicherweise warst Du an den Tagen, an denen Dich Dein Bauch mal wieder ärgerte, genervt und wütend darüber. Besonders an den Wochenenden hattest Du immer mal wieder einen Tag, an dem es Dir körperlich nicht gut ging. Dann bist Du viel lieber im Bett liegen geblieben und hast Dich dort von Deinem Tim ablenken lassen. Dennoch hast Du Dich weiterhin in der Schule super gut entwickelt….....

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.........Körperlich setzten Dir Deine Verdauungsschwierigkeiten jedoch immer mehr zu. In den folgenden Wochen gab es kaum eine Woche am Stück, wo Du nicht mindestens einen Tag mit Bauchschmerzen und Übelkeit im Bett gelegen hast. Auch Deine Schweißausbrüche in diesen Momenten nahmen zu und ich konnte an Deiner Hautfarbe und an Deinem Gesicht erkennen, dass Dir dies auch immer größere Kreislaufschwierigkeiten machte. Einen roten Faden hatte ich bis dahin auch in Deiner Ernährung noch immer nicht gefunden.

Irgendwann in dieser Zeit hörte ich wieder eine kleine Stimme in mir. Immer wieder tauchte dieses Wort „Zöliakie“ (Glutenunverträglichkeit) in mir auf. Immer häufiger las ich quasi per Zufall Berichte darüber von anderen Menschen. Dieses Thema ließ mir irgendwie keine Ruhe mehr, denn ich hatte ja schon früher solche Eingebungen gehabt, die der Kopf nicht verstehen konnte und die dennoch immer richtig waren. So sprach ich mit Deiner Kinderärztin darüber, um ihren Rat zu holen. Doch es ist gar nicht so einfach, diese Erkrankung wirklich nachzuweisen. Außerdem sprachen manche Beschwerden von Dir eigentlich dagegen. Dennoch blieb dieses Gefühl dafür in mir.

Manchmal war das Ganze wie verhext. Kaum, dass wir einen Arzt hinzugezogen hatten, waren Deine Beschwerden verschwunden. Nicht selten dachte ich darüber nach, ob ein Arzt wohl meint, dass ich eine überempfindliche Mutter sei. Trotzdem sah ich an Dir, dass irgendwie etwas nicht stimmte. Emotional hatte ich das Gefühl, dass irgendetwas in Dir komplett durcheinander sei……..

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.......Wenige Tage später saß ich meinem zukünftigen Chef gegenüber und er erzählte mir, welche Aufgaben als Inklusionshelferin / Schulassistentin auf mich zukommen würden. Im Anschluss berichtete ich von meinem Leben mit Dir, welche therapeutischen Erfahrung ich an Deiner Seite bereits sammeln durfte und wie bereichernd für mich das Zusammensein mit behinderten Menschen sei. Auch erzählte ich ihm von meiner selbstständigen Arbeit und dem daraus resultierenden Einfühlungsvermögens für andere Menschen. Nach einem langen Gespräch sagte ich zu ihm: „Viele Arbeitgeber scheuen sich davor, eine Mutter mit einem behinderten Kind einzustellen. Ich verstehe dies aus wirtschaftlicher Sicht für die Betriebe und kann die Sorge dahinter nachvollziehen, dass diese Arbeitskraft des Öfteren ausfallen könnte, weil das Kind vielleicht häufiger krank ist, als ein gesundes Kind. Ich habe immer wundervolle Lösung im Krankheitsfall meiner Tochter gefunden, sodass diese Sorge unberechtigt ist.“ Er antwortete: „Ehrlich? So sehen andere Arbeitgeber das? Ich würde sie liebend gern einstellen, gerade WEIL sie ein behindertes Kind haben. Die eigene Lebenserfahrung, welche Sie dadurch mitbringen, ist unbezahlbar in diesem Beruf und durch nichts zu ersetzen. Immer wieder erleben wir, dass genau diese Menschen die nötige Ruhe und auch Gelassenheit mitbringen, welche diese Kinder brauchen, um sich entwickeln zu können.“ …......

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..........Für mich persönlich beginnt Inklusion im Kopf eines jeden einzelnen Menschen. Erst, wenn unsere Gesellschaft wirklich begreift, eine Behinderung, gleich welcher Art, nicht nur als menschliche oder finanzielle Belastung zu sehen, sondern als riesigen Zugewinn für alle, kann für mich Inklusion im Leben wirklich stattfinden. Immer wieder bestätigten mir bereits ältere behinderte Menschen, dass sie sich selbst als vollkommen normal empfinden. Für sie ist es oftmals das Umfeld, dass ihnen das Gefühl gibt, irgendwie anders oder nicht zugehörig zu sein……....

 

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