3.Teil / besondere Leseprobe von "Weil gemeinsam leben ALLE glücklich macht"

 .........Die meisten Menschen verrichteten jeden Tag ihre Arbeit und gehen wie selbstverständlich, wenn sie krank sind, zu ihrem Arzt oder bringen ihr Auto in eine Werkstatt, wenn es kaputt ist. In dem Moment, wo sie emotional ihr Gleichgewicht verlieren, trauen sie sich kaum, dies in ihrem Umfeld zu erzählen. Irgendwie hat sich unsere Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten dahin entwickelt, dass wir unsere Emotion nicht mehr zeigen dürfen, weil wir Tränen und Schmerz mit Schwäche gleichsetzen. Stattdessen wurden wir darin trainiert, uns täglich neue Masken aufzusetzen, um weiterhin nach den Anweisungen anderer zu funktionieren. Oberflächlich erzählen viele Menschen von ihrem tollen Job, von dem blitzenden neuen Auto oder dem erstklassigen letzten Urlaub. Wenn man diese Menschen hinter verschlossener Tür trifft, sind sie nicht selten alle auf der gleichen Suche nach Liebe, Menschlichkeit und Wärme.

Doch genau das bringen für mich behinderte Menschen wieder in unserer Welt. Sie lieben Dich bedingungslos und absolut ehrlich. Sie sehen bis in die letzte Ecke Deines Herzens und erkennen alle Deine Ängste. Sie sehen so sehr Deine Schwäche, dass es manchen Menschen schwerfällt, ihrem Blick standzuhalten. …..... 

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...........Bei all dem eigenen Versagen oder Schuldgefühlen, welche Menschen in sich tragen, sehen behinderte Menschen Dich voller Liebe und in Deiner wunderbaren Einzigartigkeit. Sie verstehen Deine Selbstanklage nicht und Schuldzuweisung sind ihnen völlig fremd. Ihnen ist es vollkommen egal, welch hohe Position Du vielleicht in Deinem Beruf erfüllst. Stattdessen glaube ich, dass es behinderte Menschen innerlich vielmehr interessiert, was für Dich gefühlt übrigbleibt, wenn man Dich auf Dein Wesen reduziert. Was würde mit Deinem Selbstwertgefühl passieren, wenn Du plötzlich Deinen Job nicht mehr ausfüllen kannst oder Du Dein Auto oder Dein Haus verlierst? Wie fühlst Du Dich wirklich, wenn Du Dir ehrlich im Spiegelbild begegnest? Wie groß ist Dein gefühlter Reichtum, wenn Du alle materiellen Dinge verlieren würdest?

Immer noch glauben viele gesunde Menschen, dass behinderte Menschen in ihrem eigenen Leben weniger haben und somit auch weniger glücklich sind. Doch ist das wirklich so? Sicher braucht meine Tochter im Alltag in ihrem Leben viel Unterstützung und Hilfe in ihrem Umfeld. Doch es gibt kaum einen Tag, an dem sie nicht lachend aufsteht, im Laufe des Tages 1000 lustige Abenteuer erlebt, um am Abend kichernd und glücklich ins Bett zu fallen….......

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........Selbstverständlich brauchen zukünftige betroffene Eltern jede Art der Aufklärung, die möglich ist. Selbstverständlich sollte jede Familie für sich selbst entscheiden dürfen, ob sie ein behindertes Kind in die Welt bringen möchte oder auch aus persönlichen Gründen dieses Kind nicht bekommt. Ich finde es absolut anmaßend, wenn das Umfeld oder unsere Gesellschaft beginnt, die Eltern zu verurteilen, die sich gegen solch ein Kind entscheiden. Ich finde, niemand hat das Recht, über das Leben eines anderen oder dessen Entscheidungen im Leben zu urteilen. Ich glaube aber auch, dass vielen betroffenen Eltern unsagbar viele Ängste genommen werden würden, wenn sie in der Entscheidungsphase mehr persönlichen und intensiven Einblick in die jeweiligen Familien bekommen würden. Ich hatte vor vielen, vielen Jahren das Glück und durfte für einige Zeit bei einem behinderten Jungen wohnen. Genau diese Erfahrung war es, die mir in den ersten Tagen nach Deiner Diagnosestellung Stück für Stück meine Ängste in Bezug auf Deine Behinderung genommen haben.

Ich freue mich riesig darüber, dass immer mehr betroffene Familien in unterschiedlichste Art und Weise an die Öffentlichkeit gehen und somit Einblick in ihr privates Leben schenken. Ich finde es wunderbar, dass im Zuge des Inklusionsgesetzes gesunde Kinder bereits in jungen Jahren lernen dürfen, wie selbstverständlich mit behinderten Menschen im Alltag umzugehen. All das, was sie dabei für ihr eigenes Leben und ihr eigenes Sozialverhalten erlernen und erfahren dürfen, gibt es in keinem anderen Unterrichtsfach, obwohl es für jeden Menschen so wichtig ist.

Niemand möchte ausgeschlossen sein, egal aus welchem Grund. Alle möchten dazu gehören, trotz ihrer jeweiligen Schwächen. Jeder einzelne möchte etwas von seinen Stärken in diese Welt tragen. Jeder Mensch sehnt sich nach Liebe, Wärme und Menschlichkeit in seinem Leben. Jeder Mensch, egal ob gesund oder mit Behinderung geboren, unabhängig von Herkunft oder Hautfarbe, sehnt sich danach, ein Teil der Gesellschaft zu sein. Jeder Mensch hat die tiefe Sehnsucht nach Frieden, Liebe, Menschlichkeit und Glück in seinem Leben. Warum das so ist? Weil gemeinsam leben ALLE glücklich macht..........

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