2.Teil / besondere Leseprobe von "Weil Liebe keine Fehler kennt"

..........Die Ärzte sagten uns, dass sie erst das Blutergebnis abwarten müssen, bevor sie sicher sagen konnten, ob Du auch ein Down-Syndrom hast, obwohl es optisch klar zu erkennen war. Doch das war mir schon länger egal, denn ich sah Dich, wie Du bist, zu jeder Zeit. Ich erinnere mich, dass ich innerhalb der ersten Tage einen Arzt aus Neugier fragte: „Woran erkennt man die Trisomie? Welche sichtbaren typischen Merkmale gibt es, außer, dass man es an den Augen, also im Gesicht erkennen kann?“ Er erklärte mir: „Kinder mit Down-Syndrom haben in der Handinnenfläche im Gegensatz zu uns nur eine Handlinie, die hindurchgeht. Bei Gesunden sind hier zwei Linien vorhanden. Außerdem ist der Abstand zwischen der Großzehe und den restlichen Zehen an beiden Füßen oft größer, was bei Gesunden eben gleichgroß angelegt ist.“ Ich schaute nachdenklich auf meine rechte Hand und als ich seinen irritierten Blick sah, hielt ich ihm meine rechte Handinnenfläche hin und sagte: „Ist es Zufall, dass ich das auch an der rechten Hand so habe, wie meine Tochter? Wissen Sie, wie oft ich schon im Leben gefragt wurde, warum meine rechte Handinnenfläche bei mir anders aussieht, als bei anderen? Soll ich Ihnen meine Füße zeigen?“ Ich sah in seinem Gesicht ähnlich viele Fragezeichen, wie ich sie in mir trug und innerlich war mir klar, dass ich dem später intensiver nachgehen würde, um evtl. hier meine Antworten für mich zu finden….....

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............Da Du noch zu klein warst, um allein auf dem Pferd zu sitzen, sagte die Reittherapeutin: „Hallo Lea, da Du noch zu klein bist, um allein zu reiten, setzen wir Deine Mama einfach mit Dir zusammen auf das Pferd.“ Ich schaute sie erschrocken und entgeistert an. Ein Leben lang gehörte ich nie zu den pferdeverrückten Mädels. Im Gegenteil, ich hatte eher Angst und viel zu großen Respekt, um diesen großen wunderschönen Tieren so nahe zu kommen. Ich schaute Dich an und dachte mir, dass ich doch jetzt nicht von Dir verlangen kann, Dich auf dieses Pferd zu setzen, während ich kneife, weil ich Angst habe. Also setzte ich mich notgedrungen zitternd und mit klopfendem Herzen auf das Pferd. Bei dieser Therapie sitzt man ohne Sattel auf den Tieren. Es gibt lediglich einen Haltering, an dem man sich festhalten kann. Die Therapeutin setzte Dich vor mir auf das Pferd, so dass ich meine Arme um Dich schlingen konnte, um uns beide mithilfe dieses Ringes festzuhalten. Ehe ich noch lange darüber nachdenken konnte, setzte sich das Tier auch schon langsam in Bewegung.

Mein Herz klopfte immer noch wie verrückt und ich fragte mich, wie es Dir wohl geht. Du fandst das ganze einfach klasse, wie ich hören und sehen konnte. Nach wenigen Minuten hattest Du schon ein wohliges Lachen im Gesicht. Es könnte auch möglich sein, dass Du Dich über Deine hinter Dir sitzende zitternde Mutter amüsiert hast. Und so drehten wir in der Reithalle unsere Runden im Schritttempo. Von Mal zu Mal verschwand meine Angst und ich genoss die warme Körpertemperatur des Pferdes unter mir. Auch Du zeigtest uns klar, dass Du gar nicht schnell genug auf das Pferd kommen konntest.

Ab und zu kam es vor, dass der Termin eines Patienten nach uns ausfiel. Dann nahm Dich manchmal ein Betreuer auf den Arm und Deine Therapeutin ließ das Pferd in der Reithalle mit mir obendrauf im Trab und Galopp rennen. Da ich mittlerweile jegliche Angst vor diesen Tieren verloren hatte, waren diese Momente ein Riesenspaß für mich. Durch die ganze Halle hörte man Deine jubelnden Schreie, mit denen Du mich anfeuertest. Allerdings glaube ich, dass meine Haltung auf diesem Pferd eher aussah wie Affe auf Schleifstein und weit, weit entfernt war von Deinem perfekten Sitz auf dem Pferderücken. Doch das war mir vollkommen egal, denn nur der Spaß zählte…....

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...........Du hattest immer wieder die besten Ideen, wenn es darum ging, andere Leute zu ärgern. Da Du noch immer nicht laufen konntest und auch Dein Krabbeln noch recht langsam war, hast Du irgendwann damit begonnen, Dir innerhalb Deiner Möglichkeiten einen Spaß mit anderen zu machen. Eines Tages hatte ich Dich auf dem Arm und Du schautest mich lächelnd an. Dein Gesicht und Deine Arme kamen näher und ich dachte, Du willst Dich einfach nur intensiver an mich kuscheln. Als Du nah genug an meiner Wange warst, war ich plötzlich irritiert. Aus irgendeinem Grund war mein Gesicht plötzlich klatschnass. Und noch bevor ich begriffen hatte, was das gerade war, verfielst Du in eine Art Lachkrampf. Anscheinend hatte Dich mein komisches Gesicht dabei animiert, den ganzen Vorgang zu wiederholen. Also kamst Du meiner Wange wieder näher und erst jetzt verstand ich. Du hattest mich einfach mit Deiner extrem langen Zunge im gesamten Gesicht abgelegt. Eigentlich konnte ich in diesem Moment froh sein, dass Du nicht gerade gegessen hattest. Und wieder konntest Du Dich vor Lachen kaum halten. Ich schaute Dich grölend an und sagte: „Hast Du mir gerade durch mein Gesicht geleckt? Iiiiiih, das ist ja voll eklig.“ Jetzt gab es bei Dir in Deinem Lachen kein Halten mehr und auch ich hatte Mühe, Dich unter unserem Lachkrampf sicher auf meinem Arm zu halten…..

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